EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON „OSTEOPOROSE“ am 13.03.2013

Experteninterview zum Thema „Osteoporose“

Dr. med. Hermann Schwarz, niedergelassener Orthopäde und Schmerztherapeut in Freudenstadt, Osteologe (DVO), Präsident der orthopädischen Gesellschaft für Osteologie (OGO), Freudenstadt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Häufig wird Osteoporose erst diagnostiziert, wenn ein oder mehrere Knochen gebrochen sind. Was kann man dafür tun, dass Knochenschwund früher erkannt wird?

  • Dr. Schwarz: Man sollte rechtzeitig an Osteoporose denken und das mögliche Risiko mit dem Arzt besprechen. Das gilt für Frauen in den Wechseljahren und Männer ab 60 Jahren. Wichtig ist eine entsprechende Sensibilität für die Erkrankung, vor allem für Menschen mit besonderen Risiken wie die der Einnahme bestimmter Medikamente, etwa Kortison, oder wenn andere Erkrankungen wie Diabetes, Krebs oder Hormonstörungen vorliegen. Jeder Arzt und Patient sollte natürlich hellhörig werden, wenn es ohne erkennbaren Grund zu Knochenbrüchen kommt. Spezielle Fragebögen des wissenschaftlichen Dachverbandes Osteologie (DVO) können als Selbsttest ausgefüllt und im Gespräch mit dem Arzt ausgewertet werden.

Was geschieht, wenn man Knochen- oder Wirbelbrüche unbehandelt lässt?

  • Dr. Schwarz: Wenn eine Osteoporose die verdeckte Ursache für den Knochenbruch ist, besteht ein sehr hohes Risiko für weitere Knochenbrüche. Im Einzelfall kann dieses sogar deutlich über 50 Prozent liegen. Es ist in der Zeit unmittelbar nach einem Knochenbruch am höchsten und nimmt dann langsam wieder ab.

Niedrige Östrogenspiegel können Knochenschwund begünstigen. Ist gefährdeten Frauen daher eine Hormonersatztherapie zu empfehlen?

  • Dr. Schwarz: Abfallende Östrogenspiegel sind insbesondere in der Menopause eine häufige Mitursache für Osteoporose. Eine Hormonersatztherapie (HRT) kann zwar das Osteoporose-Risiko verringern, da es allerdings bessere und nebenwirkungsärmere Medikamente gegen Osteoporose gibt, werden Östrogene nicht mehr als reine Osteoporose-Prophylaxe eingesetzt.

Wie sieht eine zeitgemäße Osteoporose-Therapie aus?

  • Dr. Schwarz: Die Basistherapie besteht aus viel Bewegung und einer ausreichenden Versorgung mit Calcium und Vitamin D. Während die Calciumzufuhr entweder über die Ernährung oder entsprechende Präparate gewährleistet werden kann, muss Vitamin D in der Regel als Nahrungsergänzungsmittel zusätzlich eingenommen werden. Wichtig ist zudem das Vermeiden von Risikofaktoren wie Alkohol, Rauchen, Untergewicht oder die Einnahme sturzbegünstigender Medikamente wie Schlafmittel. Zur Behandlung einer Osteoporose stehen zusätzlich wirksame und gut verträgliche Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zur Verfügung.

Zur Behandlung meiner Osteoporose soll ich jetzt ein Medikament bekommen, das direkt in die biologische Regulierung des Knochens eingreift. Wie wirkt es und muss ich mit irgendwelchen Risiken rechnen?

  • Dr. Schwarz: Heute sind verschiedene Medikamente für die Behandlung von Osteoporose zugelassen, sodass für fast jeden Patienten eine individuell zugeschnittene Therapie möglich ist. Am weitesten verbreitet sind die Bisphosphonate, die sich im Knochen einlagern und einen weiteren Knochenabbau stoppen. Sie sind als Tabletten, Injektion oder Infusion verfügbar. Andere Präparate sind selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren, auch SERMs genannt, und Strontiumranelat. Die neueste Behandlungsoption ist ein biologischer Wirkstoff, der gezielt die Knochen abbauenden Zellen hemmt und alle sechs Monate unter die Haut gespritzt wird. Zusätzlich zu allen Präparaten muss eine ausreichende Versorgung mit dem Knochenbaustoff Calcium und Vitamin D erfolgen. Grundsätzlich sind Osteoporose-Medikamente sehr gut verträglich, können aber gelegentlich Nebenwirkungen haben, die schwerwiegenden sind aber selten. Im Vergleich dazu wäre das Risiko weiterer Knochenbrüche deutlich höher, wenn keine medikamentöse Behandlung erfolgt.

Oft fällt es Patienten schwer, die verordnete Therapie einzuhalten. Wie kommt es dazu und wie könnten Ärzte sie besser unterstützen?

  • Dr. Schwarz: Vielen Patienten ist nicht bewusst, warum und wie lange sie ihre Osteoporose-Medikamente einnehmen müssen. Stellen sie keine Besserung fest oder fühlen sie sich durch die Einnahmemodalitäten in ihrer Bequemlichkeit eingeschränkt, setzen sie ihre Therapie oft eigenmächtig ab. Auch wenn die Beschwerden besser werden, darf das Medikament nicht abgesetzt werden. Umso mehr sind eine ausführliche Beratung und eine sorgfältige Anweisung, wie das Medikament einzunehmen ist, das A und O einer erfolgreichen Behandlung. Wichtig sind auch einfache und praktikable Einnahmeformen, die auf die persönlichen Bedürfnisse des Patienten und seine körperliche Verfassung abgestimmt sind.

Bewegung soll den Knochenstoffwechsel positiv beeinflussen. Welche Sportarten sind zur Vorbeugung und welche zur Therapie geeignet?

  • Dr. Schwarz: Jede Sportart, die den Knochen belastet, ist gut. Wichtig ist es, den Knochen nur für kurze Zeit, aber möglichst täglich kräftig zu belasten. Positiv sind demnach allgemeines Fitness- und Krafttraining, kraftbetonte Gymnastik oder Rückenschule, Ausdauersportarten wie Jogging, Walking, Wandern sowie Bergwandern oder Radfahren ebenso wie Schwimmen und Wassergymnastik. Die Intensität, mit der die Sportart betrieben wird, hängt vom jeweiligen Gesundheitszustand und persönlichen Leistungsvermögen ab. Für Senioren eignen sich nicht zuletzt auch Spielsportarten wie Volleyball, Prellball, Tanzen oder spezielle Fitnesstrainings einschließlich Gleichgewichts- und Sturzübungen.

Ist es möglich, Osteoporose mit einer knochengesunden Ernährung vorzubeugen bzw. den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen?

  • Dr. Schwarz: Vorbeugend ist auf eine ausreichende Zufuhr von Milchprodukten zu achten. Das für den Knochenaufbau benötigte Calcium sitzt allerdings nicht im fettigen, sondern im wässrigen Anteil von Milch, Käse und anderen Milchprodukten. Auch calciumreiche Mineralwässer sind hilfreiche Lieferanten. Im Unterschied zu Calcium kann Vitamin D mit Ausnahme von fettem Fisch nur schwer über die Nahrung aufgenommen werden. Es wird vor allem in der Haut gebildet, wenn diese der Sonne ausgesetzt wird. Allerdings lässt die Fähigkeit zur Vitamin-D-Synthese mit zunehmendem Alter nach, sodass im Rahmen einer wirksamen Osteoporose-Prophylaxe und -Therapie auf Präparate aus der Apotheke zurückgegriffen werden muss. Calcium und Vitamin D sind die Basis einer Osteoporose-Behandlung. Zusätzlich wird der Arzt, wenn nötig, spezifische Medikamente verordnen.

Wo findet man Experten für Osteoporose?

  • Dr. Schwarz: Ärzte mit besonderer Expertise für Osteoporose nennen sich „Osteologe DVO“. Adressen von Experten in der Nähe des Wohnorts können bei der örtlichen Krankenkasse oder im Internet auf der Seite des wissenschaftlichen Dachverbandes Osteologie (DVO) unter www.dv-osteologie.de oder auf der Homepage der Osteologie Akademie (OSTAK) unter www.ostak.de recherchiert werden.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),
Gesundheitsthemen